Sotschi, Olympia, ZDF

Im ZDF läuft die Sendung planet e. und zeigt einen Bericht über die Situation in Sotschi, der umweltpolitische Fragen, teilweise an sozialpolitische gekoppelt, in der Woche vorm Start der olympischen Spiele in Sotschi thematisiert.
Folgende Gedanken und Thesen dazu:

Die Lage dort ist für Tier und Mensch katastrophal (gelaufen). Nachdem 2007 der Zuschlag für die Spiele erteilt wurde – Konkurrent war z. B. Salzburg -, musste Sotschi, da die nötige sportliche und wirtschaftliche bzw. sonstige Infrastruktur völlig fehlte, komplett zubereitet werden: Die riesigen Sport- und Unterkunftsstätten entstanden auf Gebieten, dere Bewohnenende im großen Stil enteignet wurden. Waren Menschen betroffen, wurde dem Protest massiv repressiv begegnet; waren Tiere betroffen, wurden stellvertretend agierende Menschen nicht weniger repressiv gestummt. In der Dokumentation wird kolportiert, dass »im Hintergrund« Unsummen geflossen sein müssen, um wahlweise zu schmieren oder schlicht die Zurichtung Sotschis into Olympia-Sotschi vorzunehmen: D’accord.
1) Der Kapitalismus ist zum Kotzen: Diese Struktur ließe sich umständlich aber zwangsläufig zur Verantwortung ziehen, notwendigerweise unter Einschluss ihrer Apologet_innen und der sonstigen ideologisch gerenderten Menschen. Ich denke aber vor allem an eines: Die verschissenen Kritiken des (einst real existierenden) Sozialismus in Russland, dem Land Sotschis, würden niemals kapitalismuskritisches Schlaglicht bekommen – es sei denn, es gälte so was wie die vermeintliche Pervertierung Russlands resultierend aus den Erfahrungen des Sozialismus anzuprangern. Systematisch ökonomie- , d. h. kapitalismuskritisch zu argumentieren würde z. B. im ZDF bzw. »planet e.« niemals stattfinden.
2) Davon abgesehen: Niemals würde der öffentlich-rechtliche Sender ZDF auf die Idee kommen, das umzusetzen, was, sofern sie dort ernsthaft emphatisch auf Menschen und Tiere und ihre Scheiße gewordenen Leben wegen »Sotschi« reflektieren könnten, Aufforderung des eigenen Denkens werden müsste: Diese Scheiße, Olympia, nicht zu senden. Sie zeigten in der Doku eine Familie, die aus einem rund 130m² großen (womöglich heruntergekommenen) Haus in ein verficktes 2-Zimmer-Wohnding in einem heruntergekommenen Wohnheim zwangsumziehen mussten. Das Hässliche im Traurigen: Sie waren zu sechst – Oma, drei junge Enkel_innen, deren Eltern. In die Kamera die Oma fragend: »Was soll nur aus den Kindern werden.«

Zwischenblende:
Wenn ich an den Sportkommentator Poschmann denke, der auch wieder in Sotschi am Start sein wird, wird mir schlecht: Um die Situation in Sotschi wissend würde ich grundsätzlich über jedes befeuernde Kommentieren »großartiger« Sportler_innenleistungen abkotzen. Allein Poschmann vermag den Kotzreiz noch mehr zu befeuern, wenn er bspw. seine ekligen, denn rassistischen Kommentare z. B. über die »spelunkenhaften« Zustände während der »ausländischen« Dopingkontrollen, in »Schwarzafrika« oder anderswo, zum Besten gibt.

3) Mit dem Wissen um die heilsamen theoretischen Umtriebe der Wertkritiker_innen - die das, was die Bürgerlichen in zwei Welten trennen: Kapitalismus und Sozialismus – als gegenstandsidentisch betrachten – der Sozialismus (wie er real wurde) war, d. h. blieb (teilweise gesteigerter) Kapitalismus –, muss das widerwärtige Treiben in Sotschi und das Nicht-Boykottieren des olympischen Sotschis seitens »des Westens« schlicht als Dramatischstes aufgefasst werden: Es negiert die Möglichkeit das herrschende Verhältnis auf irgendeine Weise auch nur einigermaßen akzeptieren zu können.
4) Dass letztlich »planet e.« diese sehenswerte Doku bringt muss aber eben wie erwähnt so gelesen werden, dass die Artikulation der Kritik nur auf einem sehr oberflächlichen, nicht kapitalismuskritischen Level verharrt: Mindestens muss dies strategisch so erfolgen, weil schließlich berufspolitische Antikommunist_innen, d. h. Kapitalist_innen über die Presse per jeweiligem Rat und Gremium wachen (…fickt euch!). In jedem Fall: Dieser Doku kommt es zugute vom russischen, putinistischen Sotschi zu handeln, da die nachwirkende bzw. schlicht nach wie vor wirksame Ost-West-Dichotomie festlegt, dass jede Kritik am russischen Sotschi zu einem nicht unerheblichen Teil über diejenigen Denkkanäle läuft, die gemeinhin sozusagen antisowjetisch imprägniert sind, wahlweise auch xenophob oder antisemtisch flankiert.

Endblende:
Ich kann kein Olympia gucken.

Weswegen ich es auch nicht sehen will: Ursula v. d. L., die als Militarismusministerin doch sicherlich auf den olympischen Zuschauer_innenrängen Platz nimmt, um ihren Soldat_innen – denn die besten Olympionik_innen verdingen sich ja berufssoldatisch – zuzujubeln. Ich will sie mir nicht ansehen müssen, da ihre geschlechtergerechten Vorstöße (so lassen sich ihre familienpolitischen Ideen zur Umgestaltung des Bundesangriffs mutmaßlich bezeichnen) zugleich abzulehnen wie zu begrüßen sind: Ein Jubel unter Tränen – nicht aus Rührung, sondern aus Scham.
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